So war es gestern
Handy-Nachrichten, ein Geheimnis und die Aufarbeitung der Vergangenheit
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Im Dunkeln leuchten die Displays ihrer Handys, eine Gruppe Jugendlicher zwischen 14 und 16 läuft auf die Bühne: die Generation "What's App" führte gestern beim Theaterstück „UP“ in der Festival-Reihe "Sieben Räume Sieben Künste" ihren eigenen Alltag in der Schlossberghalle Starnberg vor. Die Figuren des Stücks stammen aus ihrem Bekanntenkreis, Schauspielerin Katarina Schwarz hat mit ihren Schauspielschülern daraus Szenen entwickelt: über einen Jungen, der ständig an die Zukunft denkt, erfolgreich sein will und dadurch keine Zeit für Freundschaften hat. Über ein Mädchen, das dünn sein möchte und sich vornimmt, morgen endlich joggen zu gehen. Und über einen Jungen, der verunsichert über seine Gefühle ist und unbedingt auf die Party von Tamara eingeladen werden möchte. Was sie verbindet: alle wollen beliebt sein und anerkannt werden, jeder für sich ist einsam und isoliert. Auch beim anschließenden Film ABOUT A GIRL ging es um die Sorgen von Teenagern, ein Mädchen, das null Bock auf nichts hat und plötzlich unverhofft im unbeliebten Streber einen coolen Jungen findet.
Mit reifen Schauspielern ist der Film LIEBE UND ZUFALL von Fredi Murer (VITUS) besetzt, der gestern das Festival besuchte: Gary Miller Youst, Monica Gubser und Andri Schenardi spielen die Hauptrollen in der Komödie über die 76-Jährige Elise, die ein Geheimnis hütet und deren Leben durch ihre quirlige Haushälterin durcheinandergewirbelt wird. Das Geheimnis hat Fredi Murer gestern im Starnberger Kino gelüftet: Fredi Murers Mutter hat im hohen Alter einen jungen Arzt auf den Mund geküsst, weil er sie an eine frühere Liebe erinnert hat, danach fiel sie sofort in Ohnmacht. Aus dieser Begebenheit und mit Hilfe der Aufzeichnungen seiner Mutter entwickelte Murer die Geschichte für seinen Film LIEBE UND ZUFALL. „Der Film ist eine Hommage an meine Eltern und mein letzter Film“, so Murer.
Auch Edgar Reitz kam zu Besuch. Der große deutsche Regisseur präsentierte „Fernweh“ und „Die Mitte der Welt“ aus dem Jahr 1981 im Kino Seefeld. Fünf Jahre hat die Restaurierung der Fassung gedauert, erklärte Reitz. „Was Sie jetzt hier im Kino sehen, ist die künstlerisch ausgereifteste Fassung dieses Werks, die so noch nie zu sehen war.“ Der 1932 geborene Filmemacher geriet ins Schwärmen über „die Brillanz der Bilder, die besondere Schärfe und die große künstlerische Qualität“ auf der Leinwand, „die es so heute gar nicht mehr gibt.“ Und Reitz ist sich sicher: „Schwarzweiß-Bilder sind viel näher dran an unserer Erinnerung als alle Farbbilder der Welt.“
Um die Erinnerung an die Vergangenheit ging es auch bei Jurymitglied und Regisseur Giulio Ricciarelli, der seinen preisgekrönten Film IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS über Generalsstaatsanwalt Fritz Bauer, der den Frankfurter Auschwitz-Prozess in Gang brachte, in Starnberg präsentierte. Ricciarelli wusste wenig über die Zeit Ende der 1950er Anfang der 1960er Jahre, als er begann, sich diesem großen Film-Thema, der Aufarbeitung der Nazi-Zeit zu widmen. „Es war wie den Mount Everest zu besteigen.“ Überrascht war er über den gesellschaftlichen Konsens, der nach dem Krieg in Deutschland herrschte: Über die Vergangenheit zu schweigen, sie zu leugnen und nach vorne blicken, anstatt sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen . Ricciarelli, der in Tutzing aufwuchs, wird seinen außergewöhnlichen Film nochmals am Mittwoch 5. August, um 20 Uhr in Dießen zeigen und beim Filmgespräch Fragen aus dem Publikum beantworten.